Wann weiß ich, dass ich meine Gefühle wirklich zugelassen und gefühlt habe? Woran merke ich, dass die Wunde geheilt ist?
Hast Du Dir diese Fragen auch schon einmal gestellt?
Ich höre oft, wie wichtig und befreiend es ist, meine Emotionen anzunehmen, sie zu fühlen und „fließen“ zu lassen. Das alles ist für mich nachvollziehbar. Ich kann mir meine Emotionen als Energie vorstellen, die sich durch meinen Körper bewegt. Und ich kann auch nachvollziehen, dass sich die emotionale Energie in mir festsetzt, wenn ich versuche meine Gefühle wegzudrängen, statt sie zu fühlen. Dass die Energie sich nicht in Luft auflösen kann und von da an im Unterbewusstsein ihr Unwesen treibt, ergibt für mich durchaus Sinn. Deswegen ist es für mich so wichtig, alte emotional verstopfte Wunden (so nenne ich sie gerne) zu heilen. Und zwar indem ich mich traue, mir die unangenehmen Gefühle anzusehen, wenn sie aufkommen. Ich möchte sie fühlen und poetisch gesagt „abfließen“ lassen. So weit so gut. Jetzt kommt für mich der schwierige Teil: Wie um Himmels Willen fühle ich so, dass die Energie abfließt? Ich hätte gerne einen Stopfen in mir, den ich einfach ziehen könnte. Blöderweise habe ich bisher keinen gefunden.
Ich komme damit klar, dass ich momentan noch nicht klarkomme.
Hast Du Dich auch schon einmal dabei erwischt, wie Du Pläne schmiedest, um alle emotional verstopften Wunden auf einmal zu heilen?
Glaube mir, bei mir liegen mindestens drei solcher Pläne auf dem Schreibtisch. Ich war zwar bereit, mir die Wunden anzusehen, aber doch bitte so wie ICH es will. Ach ja, und bitte schnell. Und am besten auch ohne allzu große Schmerzen. Doch Gefühle lassen sich ungerne kontrollieren. Wunden heilen auf ihre Art und Weise und vor allen Dingen in ihrem Tempo. Das habe ich diese Woche gelernt.
Manchmal reicht es nicht, Angst, Trauer und Wut einmal zu fühlen. Sie kommen trotzdem immer und immer wieder. Du kannst Dir vielleicht vorstellen, wie verzweifelt ich dadurch war. Jetzt war ich endlich einmal bereit, mir die Wunde anzusehen – nur um zu beobachten wie das Blut unaufhaltsam fließt (Dabei sollen doch Emotionen fließen und nicht Blut!). Auch nach der vierten Meditation, dem sechsten Gespräch und vielen Stunden in denen ich weinend auf dem Boden saß. Ich hatte Angst, dass es nicht mehr aufhört. Was sollte ich denn noch tun?
Dann führte mich etwas zu diesem Zitat: „Ich komme damit klar, dass ich momentan noch nicht klarkomme.“ Das zu lesen hat sich so gut und befreiend angefühlt. Ja, ich darf Schwierigkeiten haben. Und ja, es ist okay, wenn ich damit noch nicht gut klarkomme. Die Zeit wird kommen. Ich sammle jetzt die Erfahrung und lerne, wie es geht.

Gib dem Leben die Chance dich zu überraschen
Ist es nicht verrückt, wie sich im Nachhinein oft alles wie ein Puzzle zusammenfügt? Ich schreibe diese Zeile mit einem Lächeln auf den Lippen. Das Leben hat mich in den letzten Tagen einige Male überrascht. Manchmal konnte ich beinahe hören, wie es sich seufzend zurücklehnt – frei nach dem Motto „Na endlich, Du hat es verstanden. Hier hast Du das, was Du Dir gewünscht hast“. Es hat gewartet, bis ich WIRKLICH verstanden habe. Nicht im Kopf, sondern im Herzen.
Ist meine Wunde jetzt also geheilt? Nein, das glaube ich nicht. Ich habe verstanden, dass ich diesen Prozess nicht kontrollieren kann. Denn er geht viel tiefer als mein Verstand momentan begreifen kann. Wir alle, Du und ich sind unbeschreibliche Wunder. Ich vertraue darauf, dass mein Körper und meine Seele sich selbst heilen können. Ich gebe ihnen den Raum und die Zeit dazu. Ich lerne noch, die Kontrolle abzugeben und stattdessen zu vertrauen. Auch wenn das bedeutet, mehrere Tage Gefühle zu fühlen, die unangenehm sind. Ich werde weiterhin durch die, die ich bin und das was ich tue zeigen, dass ich es ernst meine. Denn ich weiß, dass es sich lohnt.
Vor ein paar Tagen habe ich mir alte Urlaubsfotos angesehen. Bei einem Foto von mir habe ich auf einmal angehalten – ich konnte nicht mehr weiterdrücken. Ich habe mir auf dem Foto in die Augen gesehen und mit einem Schlag angefangen zu weinen. Dieses Mal nicht vor Trauer oder Schmerzen – sondern vor Mitgefühl und Dankbarkeit. Ich kann das Gefühl kaum beschreiben. „Was diese Augen alles schon gesehen haben und wie sie heute die Welt sehen – das ist unglaublich.“ Ich war selten so stolz auf mich. Und dieses Geschenk möchte ich gerne an Dich weitergeben. Schau Dir einmal in die Augen.
Was haben diese Augen schon alles gesehen? Und wie sehen sie heute die Welt? Du kannst wahnsinnig stolz auf Dich sein.
Ich wünsche Dir eine wunderschöne Woche. Danke, dass es Dich gibt.
Ganz liebe Grüße
Deine Sarah